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Schamanisches Arbeiten an Kultplätzen

Schamanisches Arbeiten an alten Kultplätzen

Artikel für die Zeitschrift Connection Schamanismus Nr. 8: Europäischer Schamanismus Januar-April 2012

Europa ist überzogen von einem Netz alter Kultplätze verschiedenster Zeitepochen, Kulturen und Religionen. Mancher Ort ist bekannt, andere liegen in der Natur verborgen.
Die bemalten Höhlen der steinzeitlichen Jäger, die Megalithbauten, die Steinritzungen, Aschen- Brandopfer- und Felsaltäre, Bergheiligtümer und Kultfelsen, Opfer- Rutsch- und Schalensteine, oder Steinkreise und Labyrinthe, Thingplätze, Tempel und Kirchen, Quellen, Seen und Moore – eine Vielzahl solcher Orte unterschiedlichster Bedeutung und Funktion haben unsere Ahnen in der sich wandelnden Geschichte der Menschen Europas installiert. Viele werden nie wieder sichtbar sein, da sie Waldplätze oder heilige Haine waren. Oft ranken sich regionale Sagen, Mythen und Bräuche um diese Orte, geben alte Ortsnamen Hinweise.

Kultplätze wurden oft auf natürlichen Kraftorten, auf landschaftlich markanten und geophysikalisch auffälligen Orten errichtet, finden sich auf Erdchakra- und Kreuzungspunkten von Kraftlinien. Dort sind u.a. Verwerfungs- und Bruchstellen, natürliche ionisierte Strahlung, erhöhte Radioaktivität, Wasseradern und Quellen oder magnetische Besonderheiten anzutreffen. All diese Dinge können Einfluss auf die Hormone, das Gehirn, seine Funktionen und das Bewusstsein haben.

Im Animismus gilt die Natur als heilig. Ihre Landschaft ist Abbild und Ausdruck mythischer Ahnen, beseelt von Wesenheiten, bewohnt von Ortsgeistern, personifizierten Wirkkräften der Natur. Im Totemismus ist der Mensch und sein Clan untrennbar verbunden mit der Gruppenseele von Tieren. Daher dürften Stätten der „zirkumpolaren Bärenkulte des Paläolithikums“ (Devereux/Campbell) mit die älteste Schicht der „Verehrung eines göttlichen Wesens“ sein. Und auch der Ursprung des Hirschkultes in seiner Verbindung zu Jagd und Spiritualität kann in der Zeit der Jäger und Sammler angesiedelt werden. In diesem Kontext taucht der Schamanismus auf, „fast so alt wie das menschliche Bewusstsein selbst“ (Halifax).
Unsere Vorfahren mit ihrem magischen Bewusstsein, die SchamanInnen mit ihrer tiefen Verbindung in die Geisterwelt und den nichtalltäglichen Aspekt der Natur, haben deren Kraftorte zielsicher gefunden. Sie übertrugen ihre Schau, ihre inneren Orte und Wege in die Landschaft. Dort haben sie Ideen manifestiert, kultische Handlungen, Initiationen und Rituale vollzogen, Kräfte installiert und diese Orte damit zu Kultplätzen gemacht. Parallel zum weiter bestehenden Schamanismus entwickelten sich aus ihm und anderen Quellen Neues. In der neolithischen Revolution fand eine Umwandlung zu Ackerbaugesellschaften und Sesshaftigkeit statt, ab der Bronzezeit kamen durch die indogermanisch / kurganischen Einwanderungen in Europa neue Völker und Religionen auf. Gottkönige und Priesterkasten schufen Kultplätze, zerstörten oder besetzten vorhandene und formten sie um. Eine solche (neuere) religionspolitische Variante lässt sich gut am Beispiel des Christentums und seiner Vereinnahmung von heidnischen Orten und Bräuchen sehen.

In diese Räume und Zeitschichten können wir mit schamanischen Methoden eintauchen, die Qualitäten der Orte erkennen, unseren dort einst handelnden Ahnen und ihren Ritualen begegnen, Zugang zu altem Wissen und Wirken erhalten. Wir können schamanisch für und mit solchen Orten arbeiten, sie finden, erforschen, reinigen, sie für uns auf eine gute Weise neu verwendbar machen. Aber auch Dinge erleben, die wir heute als unmenschlich und grausam empfinden, auf Kräfte stoßen, die nicht mehr in unsere Zeit transferiert werden können.

Schon immer in meiner zwanzigjährigen schamanischen Tätigkeit gehe ich auch den Weg der Rückbindung in das archaische Schamanentum unserer europäischen Ahnen. Denn dort sind unsere Wurzeln – vor und nach der Wende der Bronzezeit.

Um das Jahr 2000 hatte ich das Glück, von einem schamanischer Freund auf ein kleines Gebiet auf der Schwäbischen Alb aufmerksam gemacht zu werden. Es liegt in einem größeren Bereich längst bekannter Kult- und Siedlungsplätze verschiedener Epochen. Das Gebiet zeichnet sich durch markante Felsformationen, wunderbare Plätze, kleine Höhlen und Buchenwälder mit vielen Zwillingsbäumen aus.
Nach einem ersten schamanischen Eintauchen in die Zeit- und Ortsschichten waren wir begeistert von dem, was sich da auftat. Neben einigen keltischen Plätzen – Brandplatz, Gräberfeld – schien es sich um ein steinzeitliches Ritual- und Initiationsgebiet mit zumindest sechs Plätzen zu handeln. In den folgenden zwei Jahren erforschten wir schamanisch-empirisch diese Orte, ihre Qualitäten und Geschichten. Es stellte sich heraus, dass jeder dieser Plätze für bestimmte Zwecke geeignet ist. Zusammen bilden sie einen stimmigen Weg für tiefgehende Heil- und Initiationsprozesse. Dieser Weg verläuft auch in der Struktur dreier Höhenlinien und geht vom tiefsten bis zum höchsten Punkt des Geländes. Mit schamanischen Methoden reinigten wir diese Plätze von Altlasten aus der Vergangenheit, kamen in Kontakt mit den Ahnen aus der Steinzeit und erhielten von ihnen das Wissen, die Kraft und die Rituale, um an diesen Plätzen wieder arbeiten zu können.

So entstand ein mehrtägiger, schamanisch begleiteter Medicinwalk, den Menschen für Heilung , Erkenntnis und Initiation erfahren können – eingebunden in die Kraft der Ahnen und der Natur. Seit zehn Jahren führe ich viele Menschen durch diesen Medicinwalk. Es ist immer wieder wunderbar zu sehen, welche intensiven und tiefgreifenden Erfahrungen dabei geschehen.

Jeden Tag führt uns dieser Weg an einen dieser Orte. Wir steigen vom tiefsten zum höchsten Punkt, aus der Tiefe der Seele über Heilung zur Erkenntnis und Bewusstheit. In der Höhle kommt man über ein spezielles Ritual in eine tiefe Verbindung mit der heilenden terrestrischen Kraft der Erde und des Bären. Außerdem befindet sich hier in der Höhlenwand ein Divinationsthron, auf dem besonders Frauen in eine Verbindung mit Seherinnen kommen können. Der Platz am Felsbogen eignet sich besonders gut um Bindungen und Anhaftungen zu lösen oder Verbindungen zu vertiefen. Über einer Steilkante befindet sich ein Frauen- und Männerinitiationsplatz, an dem auch eine Zentrierung im Polaritätsausgleich der Himmel-Erdverbindung erfolgt. Auf der obersten Höhenlinie findet sich u.a. das Felsrund der Visionen und der zentrale Ahnenplatz des Gebietes.

Dort bekam ich ein besonderes Geschenk für die Menschen von den Ahnen dieses Ortes.
Ich nenne es „Das Herz des weißen Hirschen und der weißen Wölfin“.
Dies ist ein aus sich selbst wirkendes Heil- und Initiationssystem, verankert in einer der ältesten schamanischen Kosmologien. Es ist ein Weg der Herzheilung, ein Weg der Gnade und Erkenntnis.

„Wer im Herzen der Erde geheilt wurde,
weil wir Kinder der Mutter sind,
bekommt den Becher der Gnade, den Gral
und kann zurückkehren in die Heimat der Götter.“