Vortrag Schamanismus in der modernen Gesellschaft
Einleitung
Schamanisches Arbeiten und Tun sind im Grunde nur empirisch erfahrbar und aus einer rein rationalen, mechanistischen, materiegebundenen Perspektive scheinbar erst einmal Unsinn, Aberglaube, Einbildung. Die Seelen und Herzen der Menschen wissen aber schon seit Menschengedenken um die Wahrheit dieser Dinge.
Es gibt viele Wahrnehmungen und Wahrheiten. Für das schamanische Erleben bilden die verschiedenen materiellen und nichtmateriellen Welten, Bewusstseinszustände ein System von Kräften, die miteinander und mit uns in Beziehung stehen. So werden Ratio, Analogie, Intuition, Imagination, unterschiedliche Bewusstseinszustände, Evolution, Emotionen und Gefühle nicht getrennt und verschieden bewertet, sondern existieren gleichzeitig und gleichwertig nebeneinander.
Schamanisches Arbeiten in der modernen Gesellschaft versucht daher unter anderem, diese Trennungen wieder etwas zu überwinden und verständlich zu machen, dass auch die technisierteste Zivilisation diesem Kräftespiel unterliegt, welches alles Leben auf diesem Planeten seit eh und je antreibt.
Nahezu jeder Mensch ist im Besitz der Fähigkeit, sein Bewusstsein zu verändern. Nur tun wir dies selten bewusst. Wir legen uns schlafen und befinden uns in einem anderen Bewusstseinszustand, dem des Träumens oder navigieren uns durch unsere Tagträume. Durch die Negierung der Qualität zur Veränderung des Bewusstseins, die selten gefördert und trainiert, sondern im Gegenteil meist aberzogen wird, verlieren wir den Zugang zu anderen Welten und deren Wissen.
Die Fähigkeit der Schamaninnen und Schamanen besteht gerade darin sich auf eine scheinbar irrationale, nicht direkt beweisbare oder nachvollziehbare Ebene einzulassen. Auf diese Ebene – in den schamanischen Bewusstseinszustand – begeben sie sich durch die schamanische Trance um dort ihren Spirits, Geistern, Ahnen, Verbündeten, Tieren und Pflanzenwesen zu begegnen. Diese Helfer fragen sie um Rat, bitten um Hilfe, Problemlösungen und Heilung. SchamanInnen begeben sich in ein zeit- und raumloses Kontinuum, in die Nichtalltägliche Wirklichkeit und haben auch die Fähigkeit in unserer Alltäglichen Wirklichkeit, in der Mittleren Welt, zu reisen. Sie können so Informationen zu verschiedensten Dingen erfahren und im Grunde fast jedes beliebige Ziel mit ihren Reisen ansteuern. Diese Fähigkeit ist potentiell in nahezu jedem Menschen vorhanden.
Schamanismus, Schamanen, Trance und Verbündete
Herkunft des Begriffs und seine heutige Verwendung
Eine Definition des Begriffes Schamanismus ist nicht möglich oder der Versuch wäre andererseits so umfangreich, dass er jeden den Rahmen sprengen würde, denn der Schamanismus entzieht sich durch seine Vielfältigkeit und den mit ihm inzwischen verbunden weltweiten Phänomenen und Themenbereichen jeder Definition.
Das Wort ’schaman‘ stammt aus der tungusischen Sprache und bedeutet dort soviel wie Feuer, Hitze, Glut. Der Begriff Schamane stammt von den tungusisch sprechenden Ewenke Sibiriens und wurde dort für das religiöse Oberhaupt, den Heiler verwendet, der durch Trance in die Nichtalltägliche Wirklichkeit gelangen konnte. Mit der Zeit wurde der Begriff ausgeweitet und heutzutage subsumiert man darunter alle Personen, die in irgendeiner Form mit veränderten Bewusstseinszuständen arbeiten, in andere Bewusstseinsebenen gehen können und in der Lage sind, dort mit verschieden Wesenheiten, Spirits, Verbündeten und sonstigen Wirkkräften Kontakt aufzunehmen um Hilfe, Rat, Heilung und Unterstützung aus diesen Welten in unsere Alltägliche Wirklichkeit zu bringen.
Schamanisieren und der schamanische Weg
Ein altes Sprichwort aus Sibirien besagt: „Schamanisieren tun Viele, Schamanen sind Wenige“.
Wer sein Bewusstsein zielgerichtet verändern kann ist also noch kein Schamane, keine Schamanin, hat auch nicht unbedingt schamanische Initiationen durchlebt und kann trotzdem mittels schamanischer Techniken schamanisieren. Diese Person kann sich aber auf den Weg des Schamanen begeben, was mehr bedeutet, als nur eine Fähigkeit zu nutzen. Dieser lebenslange Weg ist manchmal eine harte Schule und erfordert eine umfangreiche Ausbildung. Denn der Umgang mit den Kräften, mit denen schamanisch gearbeitet wird will sorgfältig gelernt sein. Schamane oder Schamanin werden im eigentlichen Sinne aber geht direkt über die schamanische und persönliche Entwicklung des Menschen, durch Tod- und Wiedergeburtsprozesse, Initiationen, durch Transformationen und durch Integrationen in die eigene Seinsebene.
Alle, die sich auf den Weg der SchamanInnen begeben, haben ihren individuellen, persönlichen Pfad zu finden, auf dem oft schwierige Entwicklungs- und Initiationsprozesse zu durchlaufen sind, um letztlich die individuelle schamanische Wesensart, eine eigene schamanische Kosmologie und Arbeitsweise zu entwickeln. Das Erlernen und Erfahren des schamanischen Tuns ist die Voraussetzung auf dem Weg zur SchamanIn, zu einem tiefen, inhärenten Verständnis von Schamanismus, der Welt, den Bewusstseinswelten und des Universums. Um diesen Weg der Kraft zu gehen, um die persönliche schamanische Ziel- und Ausdrucksfindung voranzubringen, kann man Anleitung, Hilfestellung und Feedback gebrauchen. Sowohl durch die Verbündeten, als auch durch schamanische Lehrer, Mentoren und Gruppen.
Wichtig ist die Unterscheidung von Verblendung, eigener Vorstellung und den Informationen aus der andere Welt, der Spirits, das Vertrauen in die Verbündeten und sich selbst. Man muß verschiedenste Techniken und Arbeitsmethoden erlernen, sich die Gestaltung und Durchführung von Ritualen aneignen, lernen innere und äußere Räume zu bauen. Es braucht ein Fundament, um schamanisches Handeln in die Welt, den Alltag zu integrieren. Ein geheiltes Herz, die Klarheit über das Tun und das Wissen darüber, was getan wird. Es braucht eine alltagstaugliche Balance zwischen den Welten der nicht- alltäglichen und der alltäglichen Wirklichkeit. Denn schamanisches Arbeiten bedeutet nicht zuletzt auch Verantwortung für sich, Verantwortung für Andere und Verantwortung für die Welt zu übernehmen. Für die Menschen sind SchamanInnen wichtig, auf die sie sich verlassen können und die ihr Metier gründlich erlernt haben .
Das Reisen – die schamanische Trance
Jeder Mensch besitzt die Fähigkeit sein Bewusstsein zu verändern. Durch das gezielte Hervorrufen der schamanischen Trance, kombiniert mit einem klaren Anliegen, einem Zweck, einer Frage – also einem klaren Fokus – verändert der Schamane sein Alltagsbewusstsein in das schamanische Bewusstsein und geht auf die sogenannte schamanische Reise in die Nichtalltägliche Wirklichkeit. Der schamanische Bewusstseinszustand unterscheidet sich von anderen veränderten Bewusstseinszuständen dadurch, dass er zielgerichtet herbeigeführt wird, die Kontrolle erhalten bleibt, eine klare Aufgabe zu erledigen ist und dann klar beendet wird.
Die schamanische Trance kann mit verschiedensten Hilfsmitteln erreicht werden. Trommeln, Rasseln, Tanz, Gesang, optischen Methoden oder Halluzinogenen. Abgesehen von den Halluzinogenen liegt diesen Methoden die Technik der „sensory deprivation“ zu Grunde. Das heißt, eine Sinneswahrnehmung, z.B. die akustische, wird überproportional angeregt und die anderen heruntergeschraubt.
Eine andere schamanische Form der Trance ist die Besessenheitstrance. Dabei wird eine Kraft, eine Wesenheit gerufen, der der Schamanen seinen Körper zur Verfügung stellt. Diese Kraft oder Wesenheit fährt in den Körper des Schamanen, verschmilzt mit ihm und agiert durch diesen. Das kann bis zur totalen Amnesie gehen.
Schamaninnen und Schamanen haben verschieden Möglichkeiten auf Reisen zu gehen. Sie schicken entweder ihre freie Seele, ihr Bewusstsein, ihren Geist in die Nichtalltägliche Wirklichkeit, ein raum- und zeitloses Kontinuum, das sich in der Wahrnehmung der Schamanen als obere, untere und mittlere Welt darstellt. Die mittlere Welt, unsere konkrete Welt, wird dabei in ihrem nichtalltäglichen Aspekt wahrgenommen. Oder sie rufen ihre Verbündeten zu sich an den Platz, an dem sie sich in der Alltäglichen Wirklichkeit befinden.
Verbündete – die Helfer des Schamanen
Auf seinen Reisen arbeiten Schamanen mit Helfern und Verbündeten – den Spirits, den Geistern. Diese können in Form von Tieren, Pflanzen, Personen, AhnInnen, GöttInnen, sonstigen Wesensarten, Naturgestalten, als Personifizierungen von Wirkungsqualitäten auftreten. Sie geleiten den Schamanen durch die anderen Welten, lassen ihm Informationen, Hilfe, Rat zukommen und ihn ihre Heilkraft erfahren.
Die Kommunikation mit ihnen ist oft symbolischer oder metaphorischer Art und kann nicht immer literat, also 1:1 in unser modernes Verständnis von Welt transferiert werden. Verständigung kann verbal, akustisch, optisch, emotional, sensorisch stattfinden, sie ist auch als Metapher von Kraft zu verstehen, als Flow, als Wissen in Form von einfach wissen, als sichere Empfindung.
Die Quellen der Information sind auf der einen Seite die Verbündeten, andererseits aber auch die Psyche, die Intuition, bereits vorhandenes Wissen, Erfahrung, Analogien oder kollektive Felder und Resonanzräume. Im andinen Schamanismus gibt Yachay, die Kraft des kosmisch-universellen Wissen. Alles was je war und ist wird gespeichert in Pachamama, der Erde, der kosmischen Mutter und steht zur Verfügung.
Externe Verbündete wie z.B. GöttInnen, Krafttiere, AhnInnen, LehrerInnen, Pflanzendeven sind Wirkkräfte,
die nicht aus dem eigenen System kommen – sowohl kollektive wie individuelle Kräfte.
Interne Verbündete sind individuelle, inneren Figuren wie Archetypen, Seelenanteile, innere Gefährten, Personifikationen seelischer, psychischer, emotionaler und spiritueller Aspekte, innere Tierkräfte, die Selbstheilungskräfte, Rollenfiguren, Schattenaspekte und anderes in uns.
Ein weiterer Aspekt der Verbündeten sind individuelle Wahrnehmungsformen und Kommunikationsmöglichkeiten mit der schöpferischen KRAFT des Universums. Dies stellt sich uns in für uns möglichen Ausdrucks- und Kommunikationsformen dar. Dazu gehört z.B. auch die Personifizierung von Energien oder Kräften, die eigentlich nicht fassbar sind, keine „Wesen“ sind.
Aufgaben, Funktionen und Arbeitsbereiche der SchamanInnen
Die Hauptaufgabe der SchamanInnen liegt in ihrer sozialen Funktion. Im Schamanismus steht nicht die persönliche Erleuchtung, die persönliche Transzendenz im Vordergrund, sondern der soziale, helfende und heilende Aspekt für die Gemeinschaft. Die persönliche und schamanische Entwicklung ist notwendige Voraussetzung für die Aufgaben und Tätigkeitsbereiche der Schamanen.
Schamanen und die Gemeinschaft – die soziale Qualität
Schamanen sind für das Wohlergehen der Gemeinschaft – den Clan, die Sippe, die Familie, das Totem, den Stamm, den Staat verantwortlich. Es ist ihre Aufgabe für die Funktionsfähigkeit der Einzelnen zu sorgen, damit alle ihre Aufgaben in der Gemeinschaft erledigen können. Schamanen und Schamaninnen haben damit verschiedene beratende, schlichtende und entscheidungsrichtende Positionen zu tragen. Sie fungieren als Politiker, Berater, Häuptlinge, Interessensvertreter, Vermittler und Kämpfer und Hüter für Recht und Harmonie. Diese Aufgaben beschränken sich nicht nur auf die eigene Gemeinschaft, sondern gelten auch zwischen den Gemeinschaften. Und sie haben die Aufgabe ihre Gemeinschaft auch nach Außen hin funktionstüchtig zu halten und für Frieden und Schutz zu sorgen.
Schamanen und das Wissen – die lehrende Aufgabe
Schamanen sind die Träger der mythologischen Weisheit ihrer Gemeinschaft und Kultur. Sie stehen mit den Ahnen in Verbindung und kennt daher die Herkunft des Stammes. Andere Verbündete befinden sich in der Natur, weshalb der Schamane sich um einen ausgleichenden und harmonischen Austausch zwischen Gemeinschaft und Natur bemüht. Schamaninnen und Schamanen sind Ausbilder des schamanischen Nachwuchses, dem sie dieses Wissen über andere Welten, die Verbündeten, die Mythologie der Gemeinschaft, das Ritualleben und die schamanische Tradition weitergeben.
Schamanen und die heilerische Qualität
Schamanen sind durch ihre Verbundenheit mit dem Universum und der damit verbundenen Fähigkeit der Informationsbeschaffung Seher und Heiler. Sie sind Vermittler, Überbringer, Impulsgeber, Medium, Schaltstelle, Repräsentanten der Kraft, Bittende und in diesem Sinne verantwortlich für ihr Tun. Heilen tun die Verbündeten, die Spirits, die Universelle Kraft mit ihrem eigenen Wissen und Handeln, ihrer eigenen Intelligenz, das Göttliche, die Selbstheilungskräfte des Klienten.
Der Schamane, nach dem Durchleben der eigenen Erfahrungs- Tod- und Sterbensprozesse schöpft aus der Quelle des Heils und überbringt die heilende Kraft dem Klienten und er oder sie ist nicht nur Heiler, sondern auch spiritueller Begleiter. So lassen sich Schamanen aus der Geisterwelt die heilenden Substanzen zeigen, die sie aus der Pflanzenwelt zusammensuchen. Sie bekommen Hilfestellungen für heilende Maßnahmen in Form von Ritualen, Extraktionen oder fehlenden Seelen- und Kraftteilen, die sie den Menschen zurückbringen. Alle Informationen zu Diagnose, Vorgehensweisen, Methoden kommen von den Verbündeten oder beruhen auf wirkungsvollen, überlieferten Techniken und Ritualen, die die Geister einst den Menschen gegeben haben.
Oftmals werden auch künstlerische Mittel von den Geistern zur Heilung eingesetzt, so dass Schamanen und Schamaninnen durch Lieder, Bilder, Tänze, Texte und Gedichte die Heilkraft übertragen und die Heilung der Menschen in Gang setzen. Durch die Verbindung zu den Ahnen und Ahninnen der Gemeinschaft leisten die Schamanen Psychopomposarbeit. So können Ahnen und Ahninnen in Ruhe ihren Frieden finden und aus der Gemeinschaft treten oder mit ihr in Kontakt bleiben. Die Balance zwischen den Lebenden und Toten wird so gewahrt.
Schamane und die Harmonie – die Qualität der universellen Anbindung
Da SchamanInnen um die Verbundenheit zwischen Allen und Allem wissen, haben sie für das Gleichgewicht Sorge zu tragen. Sie setzen ihr Wissen für Harmonie und Ausgleich zwischen Mensch und Mensch, sowie zwischen Mensch und Gemeinschaft, als auch zwischen den Gemeinschaften untereinander ein. Sie halten ebenso die Balance zwischen den Menschen und den anderen Welten, den Geistern, den Ahnen aufrecht. Die Balance mit der schöpferischen Kraft des Universums, der anderen Wirklichkeit zu halten ist entscheidend für die Funktionsfähigkeit, das Fortbestehen und das Überleben der Gemeinschaft. Diese Mächte sind mitentscheidend über das Gelingen der Jagd, über die Fruchtbarkeit der Natur und die Ernte, somit über die Nahrung, das Überleben der Gemeinschaft. Wenn die Balance kippt, z.B. durch Regelbruch, Tabuverletzungen oder Unrecht, durch Missbrauch aus Gier und Machtstreben, durch den Bruch der Verbindung mit dem Schöpferischen, dem Göttlichen, der Natur, bekommen die Menschen Probleme. Die Götter ziehen sich zurück, sie versorgen die Menschen nicht mehr. Was wir heute an unseren Ozonlöchern, an Klimaveränderungen, der Vernichtung von Natur, aufgrund vielfältiger Um- und Innenweltverschmutzungen bemerken.
Die Ethik der Schamanen
Es besteht keine allgemein gültige Berufsethik für Schamanen und Schamaninnen. Sie arbeiten im Rahmen ihres Weltverständnisses in Verbundenheit mit dem Universum, den Verbündeten, geistigen Prinzipien und der Natur. Die persönliche Ethik der Schamanen und Schamaninnen bewegt sich großzügig auf der Breite zwischen Notwendigkeit und Nächstenliebe, zwischen Herz und Pragmatismus. Sie ist auch abhängig vom Verständnis von Recht, Moral, Werten und Normen und den ethischen Grundsätzen der jeweiligen Kultur und Gemeinschaft in der Schamanen leben und tätig sind. Schamanen und Schamaninnen handeln andererseits de facto im Rahmen ihrer individuell entwickelten Ethik.
SchamanInnen sind nicht zwangsläufig Asketen oder Heilige, Wunderheiler oder hochspirituelle Menschen. Sie sind Menschen mit all dem, was Menschen ausmacht.
Die Paradigmen der alltäglichen Welt und die der schamanischen Welt können sehr verschieden sein. Die Regeln, nach denen sie funktionieren sind unterschiedlicher Natur. Die Kriterien von Macht und Profit, von Geiz, Gier und Geld, von Neid, Hass und Eifersucht machen auch vor den Schamanen nicht von selber Halt. SchamanInnen brauchen eine klare ethische Definition ihres Handelns und ein sauberes Wertesystem um den Gefahren der Instrumentalisierung oder des Missbrauchs durch Auftraggeber, Klienten oder der eigenen Überheblichkeit, den eigenen Wunschvorstellungen oder Projektionen zu entgehen.
Schamanische Arbeit steht immer in einem größeren Zusammenhang mit den divergierenden Kräften des Universums und der schöpferischen oder göttlichen Kraft. Durch diese Verbundenheit mit dem Universum und der Geisterwelt sind SchamanInnen Teil der universellen Kräfte, die ihre Gültigkeit einfordern.
Die Ethik der Verbündeten
Die Welt der Veründeten ist mit den irdischen Phänomenen von Zeit und Raum nicht vertraut, noch kennt sie moderne ethisch-moralische Vorstellungen oder juristische Normen. Die Vorhaben aus der Spirits entsprechen nicht immer den Standards unserer Gesellschaft oder den modernen, therapeutisch geprägten Wertevorstellungen. Deshalb sind die Schamanen dafür verantwortlich, die Handlungsvorschläge und Informationen aus der nichtalltäglichen Wirklichkeit in Stimmigkeit mit der alltäglichen Welt zu bringen. Es bedarf hierfür eines guten Kontakts zwischen den Schamanen und den Verbündeten und einer Wachsamkeit, die die Sprache der Geister adäquat in den jeweiligen Kontext übersetzen und darin einbinden kann. Den Verbündeten wird vertraut, aber der Schamane muss wissen wem er vertraut. Es bedarf der gleichzeitigen Stimmigkeit des Handelns in beiden Welten und der Blick auf das Ganze.
Die Ethik des Ganzen
Schamanen sollten immer in Verbundenheit mit den universellen Kräften, dem Mitgefühl, der Liebe und einem geheilten Herzen handeln. SchamanInnen haben mit den Kräften umzugehen, zu kommunizieren und zu verhandeln, damit sie die Informationen und Hilfestellungen adäquat in unserer Zeit, in diese Welt bringen können. Sie sind die Mittler, da sie sich in beiden Welten auskennen, sie handeln in einem Spannungsfeld von Raum- und Zeitlosigkeit versus Raum-Zeit-Begrenzung, von linearer Abfolge von Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft versus der Aufhebung dieser und der Möglichkeit Dinge zu beeinflussen, zu ändern, neue Wege zu erschaffen. In dieser Eingebundenheit und gleichzeitig universeller All-Einsamkeit muss der Schamane, die Schamanin ihre Entscheidungen treffen
Transfer ins Heute- Schamanismus in der modernen Gesellschaft
Eine direkte Übertragung von schamanischem Wissen aus nativen Kulturen in unsere wissenschaftlich – technisch – monitäre Zivilisationswelt erscheint schwierig aufgrund unserer völlig andersartigen Lebensbedingungen und wegen der großen kulturellen Kluft, die uns von den nativen Völkern trennt.
Doch nach einer entsprechenden Umformung und Anpassung an unsere Lebensform lassen sich die Methoden des Schamanismus heute durchaus bei uns einsetzen. Auf diese Weise können wir verstehen, wie mit Naturkräften, universellen Kräften, Göttern, Mythen und Verbündeten durch die SchamanInnen in unserer modernen Gesellschaft gearbeitet werden kann. Es gibt analoge Kräfte und Tätigkeitsfelder in der modernen Zivilisation, die sich auf schamanische Methoden beziehen lassen.
Schamanismus kann als heilig, als Religion, als Lebensform, aber auch nüchtern als Werkzeug betrachtet werden. Er ist eben auch eine Methode mit der Informationen beschafft, Zusammenhänge wieder hergestellt, Verbundenheit initiiert und Heilung erreicht werden kann. Diese Phänomene existieren unabhängig von Kultur und Zeit und sind deshalb auch in moderner Gesellschaft anwendbar.
Die Methoden des Schamanismus sind unseren modernen Beratungsformen nicht unbedingt angepasst. Gerade darin liegt die große Chance, aber auch das Verwirrungspotential des Neuen, Anderen, des Unbekannten. Die Geisterwelt mit der der Schamanismus arbeitet hat ihre eigenen Regeln, die nicht immer mit den modernen Regeln und Gegebenheiten der alltäglichen Wirklichkeit korrelieren. So kann es zu ganz ‚banalen‘ Problematiken kommen. Da Raum-Zeit-Verhältnisse in den verschiedenen Wirklichkeiten entweder definiert bestehen, nicht vorhanden sind oder unterschiedlich wahrgenommen werden, kann es dort Unstimmigkeiten geben. Raum- und Zeitphänomene können nicht direkt übertragen werden. Ähnlich zu handhaben sind die Informationen, Handlungsanweisungen und Lösungsansätze, die die Schamanen aus der Geisterwelt ‚mitbringen‘. Ihre Stimmigkeit auf den jeweiligen Kontext, den Raum, die Zeit, das Anliegen, die betroffenen Personen muss geprüft werden.
Die Geisterwelt hält auch Informationen und Lösungsansätze bereit, die nicht immer zu unseren Lösungs- oder Wunschvorstellungen passen. Sie fordert uns auf umzudenken und die eigene Kraft kennen zu lernen, die in Verbindung mit den Kräften des Universums tritt. Diese zu entwickelnden individuellen Kräfte und Potentiale können anfangs befremdlich wirken. Die Aufgabe des Menschen ist, den Umgang und die Steuerung dieser Kräfte und Potentiale zu begreifen und einzusetzen.
Die Aufgaben eines Schamanen sind der modernen Zivilisation grundsätzlich nicht fremd, eher fremd sind die Arten schamanischen Arbeitens. In der modernen Gesellschaft wird mit Methoden agiert, die sich auf modernes Wissenschaftsverständnis, Weltsicht und Technik gründen – was ja überhaupt nicht abzulehnen ist – die jedoch häufig mehr durch Separation und Abspaltung, als durch Verbundenheit geprägt sind. Wissen wird gern ohne angemessene Berücksichtigung von einem Menschenbild oder einer gemeinsamen Basis vermittelt. Bildung zur Brauchbarkeit ist an sich in Ordnung. Wissen allein aber reicht nicht aus, denn der Bezug zur Persönlichkeit und die gemachte Erfahrung sind mitentscheidend.
Viele Menschen begeben sich auf den Weg der Persönlichkeitsentwicklung und Selbsheilung. Sie forschen nach ihren Familien und ihrer Herkunft, da sie sich entwurzelt, orientierungslos oder nicht geerdet fühlen.
Sie suchen Anbindungen an Religion oder Philosophie, an die Spiritualität, an Anker und Haltepunkte, an Sicherheit.
Sicherheit ist wichtig, doch noch nie war von Sicherheit, von Absicherung, von Versicherung soviel die Rede. Alles muss versichert, die Zukunft präventiv in den Griff der Gegenwart – dem Produkt der Vergangenheit – gebracht werden. Zukunft, die sich leider oft zu sehr aus Vorsicht und Angst gestaltet. Das Leben allerdings ist nicht versicherbar.
Hier setzt auch eine Aufgabe der Schamanen an. Menschen zu unterstützen, ihren Bezug zu ihrer Herkunft, ihrer Identität, zu ihrer eigenen Kosmologie wieder herzustellen, ihrer Rückbindung an das verschüttete Erbe und die alten Quellen – im Zentrum ihres eigenen Universums.
Mindestens vier Wege können zur Gesundheit und zum Heilsein führen:
Der Körperweg – im weitesten Sinne der medizinische Weg
Der Seelenweg – im weitesten Sinne der therapeutische Weg
Der Geistige Weg – Erkenne, Verstehen, Denken, Intuition
Der schamanische Weg
Genauso wie in den alten oder nativen Kulturen können die heilerischen Qualitäten der Schamanen in den verschiedensten Bereichen des modernen Lebens eingesetzt werde, da man diese einmal ganz nüchtern auch als Werkzeug betrachten und benützen kann. Denn heilen – im Sinne des Heilmachens, des mit dem Heiligen in Berührung bringen, dem Wiederherstellen der Ordnung, der Harmonie – kann man nicht nur Menschen oder Tiere, sondern auch Orte, Systeme, Pflanzen oder Projekte.
Ein Schamane hilft Wunden aus der Vergangenheit zu schließen. Es geht oft nicht darum das Problem sofort zu lösen, sondern Türen zu öffnen, die neue Wege weisen und neue Blickwinkel ermöglichen. Darauf aufbauend können Lösungsschritte eingeleitet werden, die dann effektiver und langfristiger wirken als eine reine Problembehebung.
In der modernen Welt wird leider oft nicht mehr auf der Grundlage der Rückbindung an die schöpferische Kraft des Universums, der spirituellen Ebene und der Verantwortung für das Ganze gehandelt. So bleiben z.B. die seelische Ebene und der Bezug zum nährenden Aspekt der Arbeit häufig auf der Strecke, wie auch die Verbundenheit und Verantwortlichkeit für den Nächsten oder die Gemeinschaft. Durch die Entwicklung der Abkehr von universellen Zusammenhängen und der zum Teil scheinbaren individuellen Freiheit entstand eine Dissonanz. Diese Unstimmigkeit zwischen menschlich-seelischem Streben nach universeller Verbindung und dem Voranschreiten von zu egozentriertem Individualismus und Fortschrittsglaube wieder stimmig zu gestalten ist eine der wichtigen Aufgaben des Menschen. Das Heilige und das Profane streben nach Balance, die es herzustellen gilt.
Gedanken zum Thema: Schamanismus in der modernen Gesellschaft
Die Entwicklung vom Gemeinschaftsdenken zum Egodenken der modernen Gesellschaften zeigt ihre Tendenz zu Kampf und Konkurrenz ohne Verbundenheit und Rückbindung an universelle Mechanismen. So ist es kein Wunder, dass wir die Balance, das Wachstum und die Entfaltung der Erde aufgrund von Ausbeutung, einseitiger Nutzung und Effektivität zerstören. Ebenso wenig verwunderlich ist, dass der Mensch bei solchem Vorgehen Defizite, Krankheiten und Orientierungslosigkeit entwickelt, da er sich aus seinem größten Zusammenhang, seiner kosmischen Verbundenheit, herausgelöst hat.
Durch unsere unbalancierten Werte von Leistung, Schnelligkeit und Fortschritt verlieren wir das Miteinander. Aber das kollektive Wissen, die gemeinsamen Ressourcen, die Loyalität einer Gemeinschaft sind wichtige Grundlagen zum Überleben der gesamten Gemeinschaften und jedes Einzelnen.
Wir sind bei einer Werteverschiebung angekommen, die die Ausbeutung von Erde und Mensch nicht nur prägt, sondern sogar rechtfertigt. Das Prinzip des Jagens dessen, was zum Leben nötig ist, wurde durch das Prinzip des Konsums verbannt.
Durch diese Entwicklung haben die Menschen zum Teil ihre Lebensgrundlage verraten, da sie ihr die Heiligkeit geraubt haben. Vielfach glauben die Menschen gerade dann, wenn sie ausbeuten oder übervorteilen, dass sie dies zum Überleben brauchen. Dies führt letztlich aber zu Abgeschnittenheit und damit zu Problemen und Krankheit. Denn die Menschen verlieren ihr Herz und ihre Seele durch diese Trennung.
Eine native Form erzählt von der Meeresgöttin der Inuit. Sie sorgt dafür, dass keine Robben, keine Fische, keine Beute mehr zu fangen sind – den Menschen also die Lebensgrundlage entzogen wird – bis das Volk nicht seine Beichten abgetragen, die Balance mit der Natur und dem Universum wieder hergestellt hat und untereinander Vergebung und Frieden eingekehrt ist.
Seit einigen Jahrzehnten treten Umweltverantwortung, spirituelles Denken, die Suche nach dem ganzheitlichen Verhalten und Phänomene religiöser Suche wieder sehr verstärkt auf. Die Suche nach Sinn, Halt und Orientierung sind in diesen Zeiten die Anker für Ungewissheit und Zweifel. noch nicht nur in der religiösen und spirituellen Bereichen entstehen Lösungsansätze, die auf Gedanken von Zusammenhängen, Beeinflussung, Verbundenheit oder kosmischer Anbindung beruhen.
In den verschiedensten Bereichen der Wissenschaft wie z.B. der Psychologie, der Wirtschaft oder der Physik sind systemische Betrachtungs- und Verfahrensweisen in den Blickpunkt grückt, die in übergreifenden Zusammenhängen denken und Wirkungsweisen durch kaum vorstellbare Größen oder durch nicht vorhersagbare oder unerklärliche Phänomene anerkennen.
Schamanismus in moderner Gesellschaft kann helfen, die Rückbindung der Herzen und Seelen an die universelle Kraft zu schaffen. Die Menschen können ihre wahre Leidenschaft zurückerhalten und erfahren Anbindung an einen höheren Sinn. Es geht in diesem Zusammenhang auch darum, die Sensibilität der Menschen für das Ganze des Systems wieder zu wecken, sie in Kontakt mit ihrem ureigensten Potential und der schöpferischen Kraft des Universums zu bringen.
Ein weitere Grund vieler Probleme liegt in den von Generation zu Generation weitergegebenen Traumen, die die Geschichte der Menschen den Menschen geschlagen hat – durch Kriege, Epedemien, Hungersnöte, Leibeigenschaft und Sklaverei, durch Armut, religiösen Fanatismus, durch Ignoranz, Macht und Gier. Diese Traumen wurden und werden in unserer Gesellschaft seit zig Jahrhunderten nicht mehr aufgeräumt oder geheilt, sondern in den Familien und im Berufsleben weitergegeben. Daher stehen viele von uns an der Spitze einer langen Reihe traumatisierte Ahnen, die sie hinter sich her schleppen und deren Probleme weitertragen, gefangen in diesen Traumen und dem daraus resultierenden Verhalten.
Um Schamanismus in der modernen Gesellschaft einzugliedern und zu etablieren gilt es, die Bereitschaft für ein Umdenken in Richtung einer neuen Wertschätzung und Werteorientierung aufzubauen. Die Erde muss wieder als unsere Lebensgrundlage wahrgenommen und mit dem ihr gebührenden Respekt behandelt werden, denn sie ist unserer Lebensgrundlage.